Halterung für elektrische Steckverbindungen

Leichtbau im Flugzeuginnenraum: Serienbauteile auf Composite-Basis

Leichte und hochfeste Werkstoffe sind für High-End-Anwendungen in der Luftfahrt unverzichtbar. Bei Passagierflugzeugen zählt jedes Kilogramm, deshalb werden auch bei der Innenausstattung Metalle immer häufiger durch kunststoffbasierte Lösungen ersetzt. Insbesondere thermoplastische Composites bieten den Flugzeug-Ausstattern eine signifikante Gewichtsreduktion, ohne dass bei den mechanischen Eigenschaften Abstriche gemacht werden müssen. Ein Projekt der Unternehmen Bucher Leichtbau und Ensinger zeigt, dass die Umstellung auf Faserverbundwerkstoffe weitere technische Vorteile mit sich bringen kann.

Die Bucher Leichtbau AG mit Hauptsitz in Fällanden (Schweiz) ist ein Spezialist für die Ausstattung von Flugzeuginnenräumen und Automobilen. Die Luftfahrtsparte der Unternehmensgruppe entwickelt und produziert unter anderem Küchen („Galleys“) und Stauschränke („Cabinets“) für Passagierflugzeuge. Ein solches Gesamtmodul kann das Achtfache seines Eigengewichts als Zuladung aufnehmen und muss Beschleunigungen vom Neunfachen der Erdbeschleunigung widerstehen. Dabei unterscheidet man Fluglasten (normale Flugzustände wie Start, Landung, Turbulenzen) und Notlandelasten (kontrollierte Notlandung oder Startabbruch). Die geforderte minimale Betriebsdauer der u.a. für Airbus und Boeing hergestellten Module beträgt 25 Jahre.


Ausgangslage: Material- und Montageaufwand

Aus Sicherheitsgründen müssen in der kommerziellen Luftfahrt alle metallischen Halterungen für elektrische Steckverbindungen geerdet werden. Bei elektrisch leitenden Tragstrukturen der Aluminium-Bordküchen von Bucher ist hierzu oft eine vorhandene Befestigungsschraube mit den nötigen Korrosionsschutz­massnahmen ausreichend. Sitzen die metallischen Stecker-Halterungen auf nichtleitenden Strukturen der Bordküchen, ist für die elektrische Erdung allerdings ein zusätzliches Kabel erforderlich. Dieses Erdungskabel muss in regelmässigen Abständen befestigt werden. Dafür werden weitere Befestigungsgewinde, Abstandsbolzen, Kabelschellen, Schrauben etc. benötigt.

Neben dem Materialeinsatz für die Kabelführung fällt ein hoher Planungs- und Montageaufwand an: Zur Konstruktionsarbeit gehört ein Eintrag im Elektroschema, außerdem muss im Prüfplan für jedes Erdungskabel eine Widerstands-Messung definiert werden. Diese ist zudem in die zugehörigen Wartungs- und Betriebsanleitungen sowie Zulassungsdokumente aufzunehmen. In der Produktion muss bei jeder Erdverbindung der Kontaktwiderstand protokolliert und ein Korrosionsschutzlack aufgetragen werden.


Metallersatz aus thermoplastischen Composites macht Erdung überflüssig

Der Aufwand für eine Erdverbindung kann komplett entfallen, wenn die bisher aus Metall gefertigten Stecker-Halterungen durch eine nichtleitende Ausführung ersetzt werden. Aufgrund der Einsatztemperatur und Brandanforderungen ist allerdings kein kostengünstiger Standard-Kunststoff anwendbar. 

Die angestrebte technische Alternative sollte bei Bucher eine größere Anzahl bestehender Aluminium-Blechteile geometrisch eins zu eins ersetzen, um den Änderungsaufwand bei der Einführung minimal zu halten. Diese Anforderung setzt einen steifen, höherfesten Werkstoff voraus.

Aufgrund der relativ kleinen Stückzahlen der verschiedenen Stecker-Halterungen kam eine Lösung mit hohen Werkzeugkosten nicht in Frage. Erste Versuche mit lokal umgeformten Teilen aus faserverstärktem thermoplastischen Plattenmaterial zeigten in den Umformzonen keine befriedigenden Ergebnisse.

In Zusammenarbeit mit dem Geschäftsbereich Composites von Ensinger war eine Lösung auf Basis von thermoplastischen Faserverbundwerkstoffen schnell gefunden. Als Material wurde ein für die Luftfahrt zugelassenes Prepreg mit Glasgewebe und PEI-Matrix (Polyetherimid) gewählt. Nach einer kurzen Optimierungsphase konnten die ersten Serienteile gefertigt werden. Wegen der speziellen Verarbeitungstechniken sind zwei Standorte des Kunststoffverarbeiters an der Produktion der Stecker-Halterungen beteiligt:

Am Standort Otelfingen stellen die Composite-Experten von Ensinger aus den PEI-Prepregs Halbfertigteile in Winkelform her. Anders als vergleichbare Bauteile werden diese Rohlinge nicht aus einem dicken Laminat zugeschnitten und thermogeformt, sondern aus einzelnen Prepreg-Lagen in einem Werkzeug in die definierte Form gepresst. Dieses Verfahren bietet u.a. den Vorteil, dass der Springback-Effekt verringert wird. Die CNC-Bearbeitung der Faserverbundteile erfolgt bei der Ensinger GmbH in Cham (Bayern). Das auf die Herstellung von Präzisionsteilen aus thermoplastischen Hochleistungskunststoffen und Compositematerialien spezialisierte Unternehmen bearbeitet die in Otelfingen produzierten Winkel-Rohlinge bis zur endgültigen Produktspezifikation der Stecker-Halterungen.

Von den meisten Befestigungswinkeln existieren mehrere Varianten mit unterschiedlichen Abmessungen. Dank des flexiblen Prozesses können auch besondere Ausführungen mit Konturen oder Bohrungen in einer hohen Qualität wirtschaftlich und mit kurzen Lieferzeiten hergestellt werden.


Einfacher, kostengünstiger und leichter

Die Herstellkosten für die neuen Kunststoffhalterungen sind deutlich höher als die frühere Aluminium-Ausführung. Durch die Einsparungen beim Engineering und der Produktion der Bordküchen ist die neue Lösung trotzdem erheblich einfacher und kostengünstiger. Da die Galleys durch den Einsatz der Composite-Bauteile leichter ausfallen, profitieren die Airlines auch langfristig. Denn jedes Kilogramm Mehrgewicht, das nicht in die Luft gebracht werden muss, spart Geld.

Vor der Zerspanung

Ein Rohling für die Halterung der Steckverbindung wird aus einem für die Luftfahrtindustrie zugelassenen Composite-Pre-Preg mit Glasfasern hergestellt, die in eine PEI-Matrix eingebettet sind.

Die Steckerhalterungen gibt es in Ausführungen mit unterschiedlichen Abmessungen. Dank der durchgehenden, gerichteten Fasern hat der thermoplastische Verbundwerkstoff eine deutlich höhere Festigkeit und Steifigkeit als kurzfaserverstärkte Kunststoffe.

PREFORM-TECHNOLOGie

Dank der Preform-Technologie von Ensinger sind bei der Herstellung von Winkeln auch Wandstärkenunterschiede möglich. So kann, ähnlich wie bei einer Astgabel, der hochbeanspruchte Eckbereich verstärkt werden. Gleichzeitig lässt sich an den nicht so stark beanspruchten Bereichen (z.B. an den Schenkeln) Material einsparen. Das endkonturnahe bzw. endkonturgetreue Herstellungsverfahren wird als Net-Shape-Prozess bezeichnet.

Abhängig von der Bauteilgeometrie sind mit dieser Technologie signifikante Material- und Gewichtseinsparungen möglich – bei vergleichbarer Festigkeit und Steifigkeit.